Jagd und Familie
von Angelika Glock
Wer mit Leidenschaft zur Jagd geht, viele Stunden seiner Freizeit, oftmals allein, draußen in der Natur verbringt, der fragt sich sicher bisweilen, ob sich diese Passion, diese ganz besondere Lebenseinstellung, auch nicht mit der Jagd vertrauten Personen adäquat vermitteln lässt.
Einen noch größeren Stellenwert erhält diese Frage jedoch just in der Lebensphase, in der man eine Familie gründet und seine Kinder heranwachsen sieht. Und aus einer Frage werden dann rasch ganz viele:
Wie lässt sich meine jagdliche Passion in den Familienalltag integrieren? Wie gestalte ich den Jagdalltag mit meinen Kindern und mit der Familie? Gibt es so etwas wie „kindgerechtes Jagen“? Wann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, um mein Kind zum ersten Mal mit auf die Jagd zu nehmen? Wie gehe ich meinem Kind gegenüber mit dem Thema Tod und Sterben um, einem Thema, das sich aus der Jagd nicht ausklammern lässt?
Sind Mutter und/oder Vater, vielleicht sogar auch die Großeltern, Jäger, werden Kinder in den meisten Fällen nahezu selbstverständlich mit der Jagd aufwachsen – sie ist von Beginn an lebendiger Teil ihrer Kindheit. Jagd ist dann quasi „Familiensache“. Gemeinsam mit der Familie erfahrene Jagderlebnisse prägen den heranwachsenden Nachwuchs und stärken die familiäre Bande.
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Jagdnahe Aktivitäten mit Kindern in der Natur
Und wie sieht die Situation aus bei Kindern, die selbst nicht aus einem jagdlichen Umfeld kommen und trotzdem Interesse für die Jagd zeigen? Auch ihnen kann, etwa in Begleitung von mit der Familie befreundeten Jägern als sogenannte Vertrauenspersonen, durch unterschiedliche gemeinsame Erwachsenen-Kind-Aktivitäten ein lebendiger Einblick in die Jagdpraxis vermittelt werden. Dazu zählen beispielsweise:
- Waldtage
- gemeinsame Ansitze
- gemeinsame Revierarbeiten oder auch der Bau von Insektenhotels und Nistkästen
- das Herstellen von Spielzeugen aus im Wald gesammelten Materialien
- das Anbringen von Wildkameras zur Wildbeobachtung
- Spuren und Fährten lesen lernen
- das Vermitteln von Wissen über heimische Tier- und Pflanzenarten und vor allem
- das gemeinsame Zubereiten (und natürlich Verspeisen) von Wildbret mit saisonalen Zutaten
Gemeinsame Unternehmungen im Einklang mit der Natur verdoppeln die Freude am Tun, und dies wiederum verstärkt die nachhaltige positive Wirkung auf die Kinder – auch hinsichtlich ihrer Persönlichkeitsentwicklung, für die regelmäßige Naturaufenthalte und -erfahrungen essenziell sind. Sie können sich frei in der Natur bewegen, ihre Erlebnisse in der Natur mit anderen teilen, und sie lernen Gefahren eigenständig einzuschätzen. Wenn Kindern die Möglichkeit gegeben wird, sich viel in der Natur aufzuhalten, hat dies einen äußerst positiven Einfluss sowohl auf die Ausbildung ihrer Muskulatur, ihre Motorik und die räumliche Orientierungsfähigkeit als auch auf ihre Kreativität, ihre Selbsteinschätzung und ihre Sinnesleistungen. Techniken, die der Jagd entlehnt sind, wie beispielsweise das Zielen, Werfen, Schleichen, Imitieren von Lauten, werden spielerisch trainiert. Sich viel draußen aufzuhalten, eine ursprüngliche Lebensform und von Kindern früherer Generationen wie selbstverständlich gelebt, ist ein elementares Grundbedürfnis von Kindern. Es ist für sie ebenso essenziell wie regelmäßige Bewegung, Körperkontakt, elterliche bedingungslose Liebe.
„Kommt mit raus in die Natur!“
Es ist sicher ein sehr guter Ansatz, Kindern so früh wie möglich mit viel Einfühlungsvermögen die Natur und ihre Zusammenhänge zu erklären und sie den Kreislauf der Natur draußen, im Wald, auf dem Feld und auf den Wiesen, selbst erspüren zu lassen. Gerade in heutigen Zeiten, in denen bei Kindern (vor allem bei Kindern, die in der Stadt aufwachsen) eine zunehmende Naturentfremdung festzustellen ist, kann dies einen sehr positiven Effekt innerhalb der ganzheitlichen Entwicklung des einzelnen Kindes haben.
Ist man mit den Kindern draußen unterwegs, sollte man immer so bildhaft und praxisnah wie möglich vorgehen: Man zeigt ihnen etwa, wie Verbissstellen an Bäumen und Sträuchern aussehen, und erklärt ihnen, dass und auch warum dies nicht gut für die Natur ist. Einem Kind etwa an einem Baum, der vom Rotwild geschält wurde, die daraus resultierenden Folgen bildhaft zu erläutern, erzeugt beim Kind Respekt und Mitleid für den Baum und macht dem Nachwuchs verständlich, weshalb es gut ist, wenn Jäger dafür sorgen, dass auch die Bäume weiterleben können.
Eine wichtige Grundlage für das kindliche Verstehen ist das frühe Vermitteln eines respektvollen Umgangs mit Tieren und der Natur: Tiere als brüderliche Geschöpfe zu erkennen und zu respektieren, ihnen ein würdiges Leben zu garantieren – im gleichen Maße, wie die Pflanzenwelt kennen und schützen zu lernen. Dies lehrt Kindern den Respekt vor dem Leben und legt den Grundstein für Sensibilität, sinnliche Wahrnehmung, das Fühlen der Natur mit allen Sinnen – für das Verständnis eines ganzheitlichen Lebens. All dies kann man auch als frühzeitige Bildung des Herzens verstehen, die emotionale Intelligenz der Kinder wird gefördert, und sie entwickeln somit Empathiefähigkeit.
Bildhafte Erklärungen für die ganz Kleinen verwenden
Sind die Kinder noch sehr klein, ist auch das gemeinsame Betrachten von Bilderbüchern mit Tier- und Waldmotiven empfehlenswert, Mutter oder Vater können beim Durchblättern dem Kind zu jedem Tier etwas erzählen und so auch darauf eingehen, welche Schäden durch Wildtiere in der Natur entstehen können. Ein weiteres Beispiel für eine kindgerechte Erklärung wäre etwa: Wenn es zu viele Wildtiere im Wald oder auf dem Feld gibt, dann gibt es irgendwann nicht mehr ausreichend Nahrung für alle. Einige Tiere müssen dann verhungern, und das ist traurig und grausam. Aber auch kümmerndes Wild fühlt sich schlecht, und deshalb ist es gut, wenn Jäger all dies regulieren, mit dem Ziel, die Natur in Einklang zu halten. Zudem fressen die Tiere bei einem zu hohen Wildbestand uns Menschen das Getreide und Gemüse „vor der Nase“ weg. Oder auch: Wenn sich einige Wildtierarten wie etwa der Fuchs oder der Waschbär zu sehr vermehren, dann bedrohen diese unsere Bodenbrüter wie Rebhühner, Fasanen, Waldschnepfen, aber auch Kiebitze und Feldlerchen und viele mehr. Kinder haben einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit (den sie übrigens, wissenschaftlich nachgewiesen, bereits im zarten Alter von drei Jahren besitzen!), und so wirken derartige überzeugende und anschauliche Erklärungen sehr nachhaltig auf ihre Persönlichkeitsentwicklung. Diese bildhaften Erklärungen unterstützen die kleineren Kinder dabei, die Zusammenhänge zu erfühlen und zu erspüren – die „jagdliche Nützlichkeit“ wird so für sie nahezu „spielerisch“ nachvollziehbar und vermittelt ihnen die Sinnhaftigkeit des natürlichen Lebenskreislaufes.
Action und Aktivitäten im Revier für die etwas Größeren
Etwas größere Kinder kann man sehr gut in erforderliche Revierarbeiten, wie Anlegen von Suhlen und Wasserstellen sowie Blühstreifen und Wildäckern, Anbringen oder Reinigen von Nistkästen, Ausbringen von Mineral- und Salzlecken, Kitzsuche im Frühjahr, Freischneiden oder Instandsetzen von Ansitzeinrichtungen, Anlegen oder Säubern von Pirschwegen etc., einbinden und sie aktiv mitgestalten lassen. All diese Aktivitäten sollten so anschaulich und packend wie möglich für das Kind gestaltet werden, um sein Interesse und seine Neugier noch zu verstärken. Wenn ein Kind dann später die Jagd im großen Zusammenhang erlebt (wenn man es also mit zur Jagd nimmt), hat es bereits eine ganz natürliche und verständnisvolle Herangehensweise erlernt.
Resümierend sollten Kinder frühzeitig erfahren, dass es bei allen jagdlichen Bemühungen darum geht, dem Wild und der Natur etwas Gutes zu tun, um Bestände und Lebensräume im Gleichgewicht zu halten.
Wie erkläre ich meinem Kind, dass bei der Jagd auch Tiere erlegt werden?
Das Thema Tod, mit dem Kinder in jagenden Familien unweigerlich in Berührung kommen, ist ein sehr sensibles: Die Kinder erleben zwangsläufig, direkt oder indirekt, dass Tiere erlegt werden, und sie fragen natürlich nach dem Grund. Hier ist es ganz wichtig, den Kindern die Zusammenhänge verständlich und kindgerecht zu veranschaulichen und sie nie mit einem Fragezeichen zurückzulassen. Es muss immer die Möglichkeit zum Gespräch bestehen, und es sollte den Kindern jederzeit verständlich vermittelt werden, warum Tiere der Natur entnommen werden müssen. Kinder müssen erst verstehen lernen, dass der Tod ein natürlicher Teil des Lebenskreislaufes ist. Eltern sollten daher ihrem Kind anschaulich erklären, dass das Wildtier bereits tot ist, noch bevor der Schuss zu hören ist. Eine zu frühe Konfrontation mit erlegten Wildtieren sollte vermieden werden, da ein Kind dadurch Schaden nehmen könnte, was es nach außen hin vielleicht nicht zeigen wird, aber dennoch innerlich nicht verarbeiten kann. Das Kind muss von seiner Entwicklung her bereits in der Lage sein, den Tod von Wildtieren im jagdlichen Zusammenhang richtig einordnen zu können und ihn als Teil des natürlichen Lebenskreislaufs zu verstehen.
Das richtige Alter, in dem Kinder reif dafür sind, diese Sinnzusammenhänge zu erfassen, lässt sich jedoch nicht pauschal festgelegen, es ist individuell verschieden, und Eltern müssen in der Lage sein, diesen richtigen Zeitpunkt aktiv zu erspüren.
Im Schnitt ist diese Reife im Alter von zehn bis elf Jahren erreicht. Ein relativ sicheres Anzeichen dafür ist, wenn das Kind von sich signalisiert, dass es mit zur Jagd gehen möchte, und immer wieder danach fragt, wann es wieder mit Mutter oder Vater mitgehen darf. Das zeigt, dass es sich für die zuvor vermittelten Zusammenhänge wirklich interessiert und diese auch entsprechend zuordnen kann, also keine sie übermannende Angst oder Traurigkeit, wie es zu kleine Kinder entwickeln können, erlebt.
Die Verwertung von Wild (Wildbret, Fell etc.) hat für Kinder eine enorm große Bedeutung. Kinder erleben, was Achtung vor dem Lebewesen konkret bedeutet. Das Wildtier stirbt keinen „sinnlosen“ Tod, sondern wird komplett verwertet. Selbst kleinere Kinder gehen selbstverständlich damit um, wenn man ihnen den Zusammenhang zwischen der Erlegung eines Wildtieres und der Wurst oder dem Fleisch auf ihrem Teller möglichst unbefangen erklärt, und macht sie so neugierig auf gesunde Lebensmittel aus der heimischen Natur.
Die Natur als Lehrmeister
Kinder macht es stolz und sie empfinden es als besonderes Privileg, mit Mutter oder Vater oder auch Großmutter bzw. Großvater auf die Jagd gehen zu dürfen, aktiv bei Revierarbeiten mitzuhelfen, zu Hause gemeinsam mit Mutter oder Vater „wilde Speisen“ aus dem Wald zuzubereiten.
Zusammengefasst lässt es sich so auf den Punkt bringen: Die Natur ist ein hervorragender, unschätzbarer Lehrmeister fürs Leben – und Jagd als angewandter Naturschutz kann einen wichtigen Beitrag zur Erfüllung dieses „Lehrauftrags“ leisten!
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