Den Lebensraum Natur erfahren, erleben, begreifen – 31 Jahre „Lernort Natur“
von Angelika Glock
In den 1980er-Jahren wurde in der Jägerschaft die Idee geboren, Kindern durch außerschulische Bildung und erlebnisorientiertes Lernen Wissen über die heimische Flora und Fauna, die Bedingungen der nachhaltigen Naturnutzung und die Biodiversität in der heimischen Kulturlandschaft zu vermitteln, um der zunehmenden Naturentfremdung junger Menschen entgegenzuwirken. 1991 erwuchs daraus „Lernort Natur“ – eine Bildungsinitiative des Deutschen Jagdverbandes e.V. (kurz DJV), die bundesweit von engagierten Jägerinnen und Jägern unterstützt wird. Dieses Engagement findet ehrenamtlich auf lokaler und regionaler Ebene in den Kreisjägerschaften statt und wird vorwiegend aus den Mitteln der Jägerschaften finanziert, teilweise werden auch Sponsorengelder, Spenden und Fördermittel eingesetzt.
Als Naturschutzverband anerkannt, trägt der DJV mit dieser Bildungsinitiative einen wesentlichen Teil dazu bei, Kindern und Jugendlichen den Umwelt- und Naturschutzgedanken nahezubringen, wozu Formen der Natur- und Umweltpädagogik, zu denen auch die Waldpädagogik zählt, genutzt werden.
Auszeichnungen
Die Initiative Lernort Natur wurde zweimal von der UNESCO als offizielles Projekt der UN-Dekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung 2005–2014“ sowie im Jahr 2020 als Projekt der UN-Dekade Biologische Vielfalt 2011–2020 im Sonderwettbewerb „Soziale Natur – Natur für alle“ ausgezeichnet. Das Projekt, so die Jury, animiere in vorbildlicher Weise eine Gesellschaftsgruppe deutschlandweit langfristig, sich ehrenamtlich für die Naturbildung insbesondere von Kindern zu engagieren. Die besonderen Würdigungen dieses jägerschaftlichen Engagements haben die Position von Lernort Natur im bildungs- und kulturpolitischen Bereich gestärkt.
Die wichtigsten Zielgruppen von Lernort Natur
- Kindergärten und Kitas
- Grundschulen
- weiterführende Schulen
- Besuchergruppen bei öffentlichen Veranstaltungen wie Stadt-, Gemeinde-, Pfarr- und Kinderfesten, Ferienaktivitäten, Messen sowie Bauernmärkten
- zunehmend Menschen jeden Alters mit körperlichen oder geistigen Behinderungen (z.B. im Bereich der Heilpädagogik)
- Senioreneinrichtungen
Die Welt im Gleichgewicht halten
Bei Lernort Natur wird die Natur nicht als Kulisse gesehen, sondern als zentraler Bezugspunkt – sie wird als Basis allen Handelns verstanden. Das Prinzip der nachhaltigen Nutzung, erstmals als Leitbegriff von der Forstwirtschaft geprägt, ist dabei eines der Kernpunkte der Initiative – und dies umfasst auch das Prinzip der nachhaltigen Jagd und ihre Bedeutung zum Erhalt der Biodiversität. Schutz und Nutzung sollten nicht als Gegensatz gesehen werden, beides bedingt einander. Nur, was auf Dauer vom Menschen genutzt wird, wird auch von ihm geschützt und nur, wer Wissen über die heimische Natur besitzt, setzt sich auch dafür ein, diese wichtige Lebensgrundlage dauerhaft zu erhalten. Ohne intakte Umwelt keine intakte Zukunft!
Hierzu liefert die UNESCO eine aussagekräftige Definition: „Die Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) vermittelt Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen nachhaltiges Denken und Handeln. Sie versetzt Menschen in die Lage, Entscheidungen für die Zukunft zu treffen und dabei abzuschätzen, wie sich das eigene Handeln auf künftige Generationen oder das Leben in anderen Weltregionen auswirkt.“
(c) Lernort Natur Ennepe-Ruhr e.V.
Die Rolle des Menschen im Ökosystem
Kinder und Jugendliche entwickeln durch
- ganzheitliches Erleben und Lernen in der Natur mit allen Sinnen
- authentische unmittelbare Naturerlebnisse und praktische Naturerfahrungen
- die spielerische Vermittlung naturbezogener Inhalte und ökologischer Zusammenhänge
ein tief verankertes Bewusstsein für den unschätzbaren Wert der Natur und für die Relevanz der Balance von Naturschutz und Naturnutzung, und sie erfahren dabei Wege und Möglichkeiten, die Zukunft unserer Erde gemeinsam lebenswert zu gestalten.
Die Rolle der Jägerinnen und Jäger bei Lernort Natur
Jägerinnen und Jäger sind die Schlüsselfiguren dieser Initiative, da sie aufgrund ihrer Ausbildung umfangreiches Wissen über Flora und Fauna, Wald und Landwirtschaft, Naturschutz und nachhaltige Nutzung besitzen. Und weil sie ihre Reviere öffnen, um hier Schulklassen und Kindergartengruppen engagiert und qualifiziert auf ihrer Entdeckungsreise zu begleiten und ihnen attraktive Naturerlebnisse wie etwa gemeinsame Abendansitze mit anschließendem Würstchengrillen, Waldrallyes, das Bauen von Vogelnistkästen und Fledermauskästen, Baumpflanzaktionen, Projekttage und -wochen und vieles mehr ermöglichen. Mittlerweile sind mehr als 7000 Jägerinnen und Jäger bundesweit ehrenamtlich im außerschulischen naturpädagogischen Bereich für Lernort Natur tätig. Da Schulen und andere Einrichtungen verstärkt einen Qualitätsnachweis für die Wissensvermittlung und für die Arbeit mit Kindergruppen fordern, bieten die Landesjagdverbände und der DJV seit 1997 pädagogisch qualifizierte Weiterbildungsmöglichkeiten für die Lernort-Natur-Aktiven an, und seit 2000 gibt es ein eigenes DJV-Bildungsreferat. Jede Jägerin und jeder Jäger kann in seiner Jägerschaft an dieser Initiative teilnehmen. Der DJV bietet zu diesem Zweck pädagogische Weiterbildung in Form von Seminaren an. Wer sich besonders qualifizieren möchte, kann zudem das Zertifikat „DJV-Naturpädagogin/DJV-Naturpädagoge“ erwerben, das der DJV im Jahre 2013 ins Leben gerufen hat. Dieses Zertifikat können Jägerinnen und Jäger nach einer zweijährigen Ausbildung erwerben, wenn sie sich in speziellen Schulungen pädagogische Fähigkeiten und die notwendigen Kenntnisse der Naturpädagogik angeeignet haben. Jagdliche Naturpädagoginnen und -pädagogen, die sich als qualifizierte Botschafter für Wild, Wald und Natur verstehen, weisen sich mit dieser Qualifikation als Jägerinnen und Jäger mit besonderem Engagement und hoher sozialer Verantwortung aus.
Zusätzlich haben einige Jägerinnen und Jäger auch weitere Zusatzqualifikationen, unter anderem in den Bereichen der Wald-, Heil-, Kräuterpädagogik oder in der tiergestützten Pädagogik. Der Erwerb des Zertifikats „DJV-Naturpädagogin/DJV-Naturpädagoge“ ist keine Bedingung für die ehrenamtliche Arbeit für Lernort Natur.
(c) Lernort Natur Ennepe-Ruhr e.V.
Natur auf Rädern
Eines der wichtigsten Instrumentarien für die Lernort-Natur-Aktiven, um Kindern und Jugendlichen die Natur wieder näherzubringen, sind die sogenannten „Rollenden Waldschulen“ oder auch „Lernort-Natur-Mobile“ bzw. „Erlebnisschule Wald und Wild“ genannt, die die Natur direkt auf den Schulhof, in den Kindergarten oder auch zum Stadtfest bringen. Sie sind bestückt mit vielfältigem Anschauungsmaterial, angefangen von Info-Flyern und Tierpostern über Fühlkästen bzw. Tastbretter und Rekorder zur Vorstellung von Tierstimmen bis hin zu den verschiedensten Tierpräparaten, und werden von qualifizierten, pädagogisch geschulten Jägerinnen und Jägern betreut. Hier darf jederzeit angeschaut, angefasst und gefragt werden! Auch stationäre Waldschulen als außerschulische Lernorte unterstützen die Lernort-Natur-Aktiven in ihrem Bemühen, das Interesse der Jugend an der Natur und dem Zusammenleben von Mensch, Tier und Pflanze zu fördern und sie für die Anliegen des Naturschutzes zu sensibilisieren.
(c) Lernort Natur Ennepe-Ruhr e.V.
Förderung von Kompetenzen und Fähigkeiten
Die Initiative Lernort Natur ist ein ehrenamtliches Angebot der Jägerschaft, sie ist angewandte Umweltpädagogik und zugleich Aushängeschild der jagdlichen Öffentlichkeitsarbeit. Indem sie der Jugend die Natur nahebringt, ihre Sinne für die Schönheit der Natur schärft und ihr Engagement für den Natur- und Artenschutz fördert, ist sie ein zukunftsweisendes, tragfähiges Nachhaltigkeitsmodell der Jägerschaft. Kinder und Jugendliche werden später nur das schützen, was sie kennen und lieben gelernt haben.
(c) Lernort Natur Ennepe-Ruhr e.V.
Titelbild: (c) Lernort Natur Ennepe-Ruhr e.V.